Kunstmuseum Basel gibt nach Aufarbeitung der Herkunfts- geschichte ein Werk zurück

15.09.2022 (09:30) Medienmitteilung
Präsidialdepartement

Auf der Grundlage der Washingtoner Erklärung gibt das Kunstmuseum Basel eine spätmittelalterliche Apokalypse-Darstellung ihrer früheren Besitzerin zurück. Der Regierungsrat stimmte diesem Entscheid zu. Das Werk gelangte vor drei Jahren als Schenkung in die Sammlung des Kunstmuseums Basel. Aus eigenem Antrieb arbeitete es dessen Herkunftsgeschichte auf. Dabei wurde klar, dass der seltene Druck im Zuge des NS-Regimes der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung in Heidelberg zwangsweise entzogen und danach verkauft wurde. Mit Zustimmung der Stiftung verbleibt er als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Basel. 

Nach proaktiver Provenienzforschung gibt das Kunstmuseum Basel eine spätmittelalterliche Apokalypse-Darstellung zurück. Das Werk zeigt den biblischen Kampf des Erzengels Michael mit einem Drachen. Es gelangte 2019 als Schenkung in die Sammlung des Kunstmuseums. Das Museum nahm anschliessend eine vertiefte Recherche seiner Herkunftsgeschichte in Angriff. Diese zeigte, dass das Einzelblatt aus einem Blockbuch von 1450, ein seltener Vorläufer des Buchdrucks, ursprünglich dem jüdischen Sammler Victor Mordechai Goldschmidt aus Heidelberg gehörte. Dies belegt ein Stempel auf der Rückseite des Drucks. 

Verkauf als Folge der Arisierung der von Portheim-Stiftung
Gemeinsam mit seiner Ehefrau, Leontine Goldschmidt, geborene von Portheim, gründete der bekannte Kristallograph und Universalgelehrte bereits nach dem Ersten Weltkrieg die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst. Nach dem Tod ihres Ehemanns 1933 übertrug Leontine Goldschmidt die umfangreichen Sammlungsbestände der Stiftung als unveräusserliches Eigentum. Auf die Stiftung geht etwa das heutige Völkerkundemuseum in Heidelberg zurück.

Die Stiftung wurde in den Jahren nach der Machtübernahme Hitlers zunehmend im Sinne der NS-Ideologie instrumentalisiert. Dies hatte tiefgreifende Folgen: Leontine Goldschmidt wurde 1935 von den Nationalsozialisten gezwungen, ihren Sitz im Kuratorium der Stiftung aufzugeben. Diese wurde in «Stiftung für Volk und Auslandkunde» umbenannt, denn die Erinnerung an die jüdischen Gründer der Stiftung musste verschwinden. Ab 1936 wurden zudem grössere Bestände verkauft, die ideologisch als nicht «verwertbar» galten. Dazu gehörte zusammen mit anderen alten Drucken, Handschriften und Miniaturen auch das mittelalterliche Blockbuch-Blatt. 1942 wählte Leontine Goldschmidt angesichts ihrer bevorstehenden Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt den Freitod. 

Verstoss gegen den Willen der Stifter 
Es ist nachgewiesen, dass der Verkauf des Drucks aus den Sammlungsbeständen der Stiftung nicht dem Willen von Victor und Leontine Goldschmidt entsprach. Das Unrecht im Sinne der Washingtoner Erklärung liegt somit darin, dass der Stifterwillen vollständig gebrochen wurde. Für die Kunstkommission des Kunstmuseums Basel kann die durch die Washingtoner Erklärung geforderte «gerechte und faire Lösung» somit einzig in der Rückgabe des Werks an die rechtmässige Eigentümerin liegen – sie ist die weitreichendste Form der Wiedergutmachung. Das Kunstmuseum Basel nahm Kontakt mit der Stiftung in Heidelberg auf und beantragte gemeinsam mit der Kunstkommission und der Universität Basel beim Regierungsrat von Basel-Stadt die Restitution des Blatts. Dieser stimmt dem Begehren zu. Die von Portheim-Stiftung überlässt im Gegenzug dem Kunstmuseum das Werk als Dauerleihgabe. Es bleibt somit in Basel. Beide Parteien anerkennen diese Einigung.